Guter Rat ist wie die Glut des Feuers - Der Wandel der Anbaukenntnisse, Wissenskommunikation und Geschlechterverhältnisse der Shona in Zimbabwe
in: Sozioökonomische Prozesse in Asien und Afrika, Bd. 5 (Hrsg.: Stefan Seitz)
Centaurus Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler 1998, 10 + 182 S., 4 Karten, 22 SW-Fotos.
Das Buch ist klar gegliedert in Einleitung, 5 Textkapitel, Schlusswort. Dies
macht zusammen 130 reine Textseiten. Dann folgen im Anhang die 4 Kartenseiten,
11 Seiten mit 22 SW-Fotos und ein sehr umfangreiches, 36seitiges
Literaturverzeichnis mit überwiegend jüngeren Arbeiten, d.h. mehr als die Hälfte
aus den 90er-Jahren (S. 147 - 182).
Im Vorwort stehen hauptsächlich die Danksagungen, darunter auch die Namen von 6
Frauen, auf deren Höfen die Autorin lebte und an deren Alltag sie teilnahm. In
der Einleitung, vier Seiten weiter, steht noch, dass der Aufenthalt bei den Shona-Frauen ein Jahr dauerte und dass
die Autorin auch an der Feldarbeit teilnahm. Dies sind die einzigen Stellen im
Buch, an denen Rita Schäfer als Mensch wahrnehmbar wird, hier taucht das
Personalpronomen 1. Person Singular auf (3 mal), ansonsten findet man im
gesamten Buch keinen persönlichen Hinweis. Die Sachebene wird bevorzugt.
Schäfer schildert kein einziges Erlebnis, keine Fallstudie, keine selbst (als
solche kenntlich) gemachte Erhebung. Der Stil ist trocken, nüchtern,
distanziert. Die Sätze sind sorgsam durch die reichlich vorhandenen
Literaturbelege abgedeckt, die sich in Textnoten und Fußnoten finden. Lediglich
das 5. Kapitel, das sich dem Anbau und seiner Veränderung widmet, ist fast frei
von Anmerkungen und fußt wohl auf der eigenen Erfahrung, ohne dass dies
allerdings erwähnt würde. Auch der Ort oder die Orte, an denen Schäfer lebte,
sind nicht weiter lokalisierbar - man könnte fast sagen, die Studie wurde
anonymisiert.
Im ersten kurzen Kapitel werden die wissenschaftlichen Fragestellungen
erörtert, die theoretischen Hintergründe, die Methoden. Es wird schnell
deutlich, dass das alte Schema Hackbau - Pflugbau hier nicht gültig ist: Die Shona kennen beides, sie sind Bauern,
Hirten, Sammler und Jäger gleichzeitig und integrieren sich zudem in eine
moderne Kultur und Infrastruktur des 20. Jahrhunderts.
Das 2. Kapitel gibt einen Gesamtüberblick über Zimbabwe, angefangen bei der
Naturgrundlage, der Ethnogenese der Shona,
die heute rund 77% der Bevölkerung ausmachen, der Gesellschaftsorganisation,
der Religion, der Politik und Wirtschaft. Bei der Religion spielen die mhondoro-Geister und die Geistermedien
eine bedeutsame Rolle bis in die Gegenwart. Weder die Unabhängigkeitsbewegung
noch die momentanen Farmbesetzungen werden verständlich ohne Einbeziehung
dieser Aspekte einer Verbindung zur geistigen Welt. Die Schilderung des Anbaus,
der Landnutzung und der Arbeitsorganisation rundet dieses Kapitel ab, an dessen
Ende ein kompaktes und klares Bild der vorkolonialen Situation steht: Eine
Gesellschaft, die durch ein vielfältiges, sorgsam austariertes Netz von Beziehungen
verknüpft war, sich stabilisierte und sich auch extremen Situationen wie Dürre
und Krankheiten gewachsen zeigte. Das Wissen um die sensible Ökologie war
vorhanden (die Pflanzungen sind Mischkulturen zur Kleinhaltung der Schädlinge,
zur Stabilisierung des Bodens usw.) und wurde weitergegeben: „Somit galt der Austausch
mit anderen als zentrales Element für die Bewahrung und Weiterentwicklung von
Anbaukenntnissen: ‘Guter Rat ist wie die Glut des Feuers, man muss ihn sich von
andern holen’.“
Kapitel 3 wirft ein grelles Licht auf die gravierenden Änderungen während der
Kolonialzeit. Als frühe Schlüsselfigur wirkte der Missionar Alvord, der 25
Jahre lang den Wandel der Anbausysteme in den sogenannten Reservaten maßgeblich
beeinflusste. Schäfer arbeitet brillant heraus, wie ein Gesetz auf das andere
aufbaute und einer kleinen (weißen) Bevölkerungsgruppe die besten Böden, die
meisten Subventionen, das beste Saatgut u.ä. sicherte, während die Eingeborenen
in Regionen mit geringen Ressourcen abgedrängt oder umgesiedelt wurden. Im
Befreiungskrieg war hier ein großes Potential zur Unterstützung der Kämpfer
vorhanden - Guerillas und Bauern halfen sich, die mhondoro-Geister legitimierten den Kampf (S. 51ff.).
Nach der Unabhängigkeit 1980 wandelten sich die Agrarstrukturen durchaus. Die neuen Führer Zimbabwes übernahmen aber auch viele koloniale Strukturen und ein großer Teil der Bevölkerung blieb in den wirtschaftlichen und ökologischen Problemzonen und war nicht am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt.
Durch die Migration bedingt übernahmen immer mehr Frauen Aufgaben im Hof und beim Landbau, die eine Generation zuvor Männerarbeit waren. Hierbei eignen sich Frauen naturgemäß das ganze Wissen über die traditionelle (Land)Wirtschaft an, bewahren es und geben es weiter. Obwohl in Afrika die Musik ein dominantes Wesensmerkmal ist, taucht sie nur dreimal (S. 34, 123, 125) wie nebenbei dergestalt auf, dass bei der Arbeit Lieder gesungen werden und über deren Inhalt die Kinder (insbesondere die Mädchen) das Wesentliche lernen.
Schäfer arbeitet nun immer mehr einen Mann-Frau-Gegensatz heraus. Die Schilderungen lesen sich so, als würde die Geschlechterbeziehung überwiegend aus Stellungsgefechten um Einflusssphären bestehen. Von einem harmonischen Familienleben ist praktisch nie die Rede. Wenn sich derartige Schilderungen über viele Seiten hinweg ziehen, kann schon der Verdacht einer einseitigen Beobachtung entstehen.
Die ganze HIV-Problematik wird in eine einzige Fußnote verbannt: 10% der Bevölkerung seien offiziell infiziert, die Schätzungen gehen von 50% aus (S. 70). An vielen Stellen wird ein Blick auf die Altersversorgung geworfen, auf das soziale Netz insgesamt, aber Aids wird einfach nicht weiter erwähnt, dafür aber gegen Ende des Buches immer mehr die Mann-Frau-Beziehungsrangeleien. Bei aller Hochachtung vor der sonst ausgezeichneten Gesamtarbeit - hier blieb mir der begründete Verdacht zurück, dass ein(e) EthnologIn mit PartnerIn und eigenen Kindern als Begleiter auf der Feldforschung ein anderes Bild zeichnen würde.
Im 5. Kapitel wird der gegenwärtige Anbau in den ‘Communal Areas’ und seine
Methoden geschildert, die Kulturpflanzen, die Bedeutung der Bäume zur
nachhaltigen Verbesserung des Mikroklimas (bei Monokulturen werden sie
gerodet!), der Termitenerde zur Bodenverbesserung usw. Wie eingangs erwähnt,
kommt hier die Landeskenntnis von Rita Schäfer direkt zum Tragen - ich schließe
dies aber nur indirekt (aus dem anderen Stil und dem Fehlen von
Literaturbelegen). Die Angaben jedenfalls erwecken den Eindruck einer
fundierten und gründlichen Recherche, obwohl z.B. eine Detailschilderung der
Feldbauvorgänge im Jahreszyklus fehlt. Auch die Anbauzeiten, die vielen nötigen
Feldarbeiten, die Wachstumszyklen hätten hier ihren Ort gehabt - oder wenigstens
eine Studie, z.B. der Tages- Wochen- oder Monatsarbeitsplan einer Frau als
Haushaltsvorstand. In diesem Kapitel bedauerte ich am meisten, dass die
Aussagen grundsätzlich generalisiert wurden.
Auf den letzten Seiten werden zentrale Gedanken der früheren Kapitel
wiederholt, verdichtet und zum Bild des grundlegenden Wandels der Verhältnisse
in Zimbabwe verdichtet. Das Buch endet etwas abrupt und hebt nochmals hervor:
„In den vorausgegangenen Ausführungen konnte aufgezeigt werden, wie die neuen
Dimensionen der Geschlechter- und Generationenkonflikte, die Differenzierung
zwischen Frauen und die Akzentuierung ihrer Selbstbilder als tragende Kräfte
des Anbaus sowie der familiären Versorgung interdependent miteinander verbunden
sind.“
Trotz des einseitigen Blicks auf die Frauen (pardon, aber die Männer kommen
einfach zu schlecht weg) habe ich das Buch mit Gewinn gelesen. Es öffnete mir
den Blick auf innere Aspekte Zimbabwes, die nicht unbedingt im
Alltagsbewusstsein leben. Die wissenschaftliche Arbeit halte ich für gediegen,
was mir fehlte am Buch, denke ich deutlich gemacht zu haben.
(Wolfgang Creyaufmüller)
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