Berichte des Sonderforschungsbereichs 268
"Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum Westafrikanische Savanne", Band 3
in: Frankfurter ethnologische Forschungen in der Westafrikanischen Savanne
Hrsg.: Ulrich Braukämper und Michael Schlotter
81 Seiten, 5 Karten/Abb.
Die Berichte aus dem Sonderforschungsbereich 268 der DFG "Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum Westafrikanische Savanne" füllen ein schmales, aber durchaus gehaltvolles Bändchen.
Eike Haberland, der kurz vor dem Erscheinen des Bandes verstarb, schrieb die Einleitung und stellte auf 6 Seiten den Forschungsbereich schlüssig und gut begründet vor.
Von Ute Ritz-Müller stammt die schriftliche Fassung (S. 13-28) eines Vortrags, der 1992 auf der Tagung der DGV gehalten wurde: Gesellschaft und Umwelt - Zum Naturkonzept der Kademba in Burkina Faso. Sie arbeitete in vielen Aspekten den Gegensatz zwischen Dorf und Busch heraus, zwischen der Sphäre der Menschen und einer ganz anders gearteten Welt: "im Busch lauert das Übernatürliche auf Schritt und Tritt" (S. 14). Spannend wird es dann, wenn ein derartig belegtes Umfeld bewirtschaftet, das heißt, das Ackerland erweitert wird. Ein zentrales Heiligtum wird näher besprochen und dazu der Mythos, der sich um die Python-Schlange rankt. Die spirituelle Welt der Kademba wird in einem weiteren Abschnitt beleuchtet: Jeder Kademba, der in diese Welt kommt, besitzt eine Vergangenheit, er hat frühere Leben gekannt und trägt Merkmale jener übernatürlichen Wesen in sich, die
Einfluss auf seine Wiederkunft hatten. Dieser Einfluss wird nach mehreren Aspekten untersucht. Breiten Raum nehmen die Kinderbäume als Herkunftsort der kleinen Kinder ein. Kurz: Wer über eine Art westafrikanischer Religiosität eine schnelle, umfassende Information sucht, ist hier gut bedient.Klaus Schneider widmet sich der "Kohärenz zwischen Ethnologie und Sprachwissenschaft" (S. 29-32). Er beschreibt kurz ein Projekt zur materiellen Kultur der westafrikanischen Savanne und die Zusammenarbeit mit Sprachwissenschaftlern. Untersucht werden beispielsweise Schmiedetermini im Lobi-Gebiet und bei den Bobo.
Michael Schlottner thematisiert "Materielle Kultur und Rekonstruktion der Vergangenheit am Beispiel von Musikinstrumenten in Nordost-Ghana" (S. 33-41). Einer kurzen allgemeinen Einführung folgt eine systematische Analyse des Intrumenteninventars des zentralen Volta-Gebiets. Die Geschichte der Musikinstrumente erscheint als durch Buschgeister geprägter Mythenkomplex oder als Schilderung von Migrationsbewegungen der Spielleute in herrschaftlichen Diensten. Der ganze Aufsatz ist in einem hohen Abstraktionsniveau
abgefasst, wobei der eigentliche Inhalt dem gewählten Sprachniveau teilweise zum Opfer fällt.Hans Peter Hahn berichtet über "Verhüttung und Schmiede in Nord-Togo" (S. 43-51). Eisenverhüttung ist dort seit ca. 1000 Jahren archäologisch belegt. Heute wird überwiegend Fertigstahl verarbeitet.
Um so größere Bedeutung kommt deshalb dem Projekt zu, vor Ort einen Rennofen zu rekonstruieren, die gesamten Arbeitsprozesse zu dokumentieren und schließlich das gewonnene Eisen zu analysieren (Grundlage ist Erz mit 98% Hämatit). Es war gerade noch möglich, ältere Schmiede zu finden, die alle Arbeitsschritte beherrschten. Wer sich auf wenigen Seiten sachkundig und detailliert über diese Methode der Verhüttung informieren will, hat hier eine hervorragende Quelle.Ulrich Braukämper schildert aus den "Forschungen in Nordost-Nigeria" (S. 53-60). Im Tschadsee-Gebiet widmen sich mehrere deutsche und nigerianische Ethnologen den Shuwa, arabischsprachigen Rindernomaden. Zum Berichtszeitpunkt lagen noch kaum Ergebnisse vor. Braukämpers Aufsatz hat deshalb überwiegend den Charakter einer historischen Analyse: Die Shuwa haben Mitte 17. Jh. bis Mitte 18. Jh. einen Kulturwandel vom Kamelnomadismus zu
halbsesshaften Rinderhirten vollzogen. Rezent zeichnet sich eine Spezialisierung auf vollnomadisches Hirtentum ab.Jörg Adelberger gibt einen Zwischenbericht über "Kulturgeschichtliche Untersuchungen zu tschadischen Sprachen und Ethnien Nordost-Nigerias", einem interdisziplinären Projekt (S. 61-65). Bis in die jüngste Vergangenheit waren von 22 Ethnien und Sprachen im Untersuchungsgebiet lediglich 15 in der Literatur erwähnt, aber kaum wissenschaftlich
erfasst. Es wird Basisarbeit geleistet zur Sprache, zur Erfassung der Feldfrüchte, zur Tierhaltung - es ist ein Zwischenbericht, weil zum Druckzeitpunkt die Arbeit noch in vollem Gange war.Werner Fricke bearbeitet im letzten Aufsatz (S. 67-81) des Büchleins "Wandlungen der Agrar- und Siedlungsstruktur bei den Tula Baule seit dem 2. Weltkrieg". Im Untersuchungsgebiet leben ca. 15 - 20000 Menschen. Im ersten Teil greift Fricke die bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten auf und charakterisiert die Region
geografisch. Ein doppelter Verdrängungswettbewerb - wachsende Volkszahl im alten und fremde Zuwanderer im neuen Siedlungsgebiet - kennzeichnet die gegenwärtige Situation; das nutzbare Land ist vergeben. Die Auswirkungen von Straßenbau, Wasser- und Kunstdüngerversorgung sowie landwirtschaftlicher Beratung bleibt abzuwarten.Das insgesamt schmale Heft mit einer Reihe recht instruktiver Kurzaufsätze ist als lesenswert zu beurteilen und zu empfehlen!
Wolfgang Creyaufmüller
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