Skurrile Quantenwelt

 

„Oft wurde ich gefragt, welcher Teufel mich denn geritten hätte, im Alter von 17 Jahren eine physikalische Abhandlung über das Thema der Quantenphysik zu verfassen.“ (Anfang)

 

 


Autor:

Silvia Arroyo Camejo

Erscheinungsjahr:

2006

Verlag:

Springer Verlag
Berlin Heidelberg New York

ISBN:

3-540-29720-0

Seitenzahl:

246 S.

 

 

Ein Buch über Quantenphysik von einer Schülerin geschrieben? Das ist durchaus eine bemerkenswerte Tatsache. Des weiteren kommt hinzu, dass das Wissen weitgehend autodidaktisch erarbeitet wurde. Zur Entstehungsgeschichte schreibt die Autorin selbst im Vorwort. Vom Inhalt her werden die wesentlichen Aspekte der Physik des 20. Jhs. abgewickelt, naturgemäß in Schwerpunkten. Schon ganz zu Anfang wird deutlich, dass die sogenannten Teilchen weder makroskopische Teilchen noch Wellen sind, sondern eben Quantenobjekte. Als solche entziehen sie sich der Beobachtung, sind aber dem Denken zugänglich, kaum jedoch der Vorstellung. Andererseits sind wiederum Wirkungen in der Welt nicht zu leugnen. Aus dieser Tatsache wird klar, dass sich das ganze Buch mit der Schwelle von der sinnlichen zur über- respektive untersinnlichen Welt auseinandersetzen muss. Der Beginn wird, historisch entsprechend, mit dem Planckschen Wirkungsquantum gesetzt. In diesem Kapitel begegnete mir auch der einzige Formelnummerierungsfehler (2.2 statt 2.3 auf S. 21) – insgesamt ist das Buch hervorragend redigiert. Wichtige Stationen der Quantenphysik sind der photoelektrische Effekt, die Doppelspaltexperimente, Unschärferelation und dann die gesamte Bohr-Einstein-Debatte. Mit der Herleitung und Erläuterung der Schrödinger-Gleichung ist die Buchmitte erreicht. Zu dieser Gleichung wird ein Zitat von Richard Feynman bemüht: „Woher haben wir diese Gleichung? Nirgendwoher. Es ist unmöglich, sie aus irgendetwas Bekanntem herzuleiten. Sie ist Schrödingers Kopf entsprungen.“ Deutlicher kann es nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass wir es insgesamt mit Denkobjekten zu tun haben. Erfrischend beim Lesen ist, dass die Autorin immer wieder genau die Fragen stellt, die dem Lehrer (egal auf welchem Niveau) so große Probleme bereiten, die Sinnfragen, einfach, bohrend. Aber auch ihre Antworten dazu sind lesenswert, denn sie bemänteln nicht die Hauptproblematik, die eben gerade darin besteht, dass mit mathematischen Formeln Welten jenseits des Sinnlichen beschrieben werden – eine typische Bewusstseins-Schwellenübergangssituation also. In den letzten Kapiteln kommen der quantenmechanische Formalismus, das EPR-Paradoxon (ein raffiniertes Gedankenexperiment – sic!), die Bellsche Ungleichung, Vielweltentheorien, um nur einiges zu nennen, zur Sprache. Die möglichen Interpretationen des quantenmechanischen Formalismus’ werden in sechs Gruppen eingeteilt. Drei davon werden näher ausgeführt und dann kommt wieder die ehrliche Frage nach der Realität. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Das sind die brennenden Fragestellungen der Gegenwart. Physik ist prinzipiell Naturbeobachtung. Die Quantenwelt lebt von Gedankenexperimenten, Rechnungen. Die möglichen Experimente bedürfen immer einer Interpretation. Diese Aspekte werden nicht verschwiegen und dafür ist der Autorin zu danken.

Ein ausführliches Glossar hilft dem Laien wie dem Fachmann. Das Literaturverzeichnis ist dreigeteilt in Monographien und Lehrbücher sowie Artikel, diese fast alle mit URL und schließlich Websites. Ein gutes Register schließt ab.

Das Buch liest sich flüssig, die tiefen Fragen werden nicht unterdrückt. Für OberstufenschülerInnen ist es ohne Einschränkung geeignet. Man könnte auch sagen, dieses Buch ist besser als das meiste, was sich auf dem Schulbuchmarkt zu diesem Thema finden lässt.

 

Wolfgang Creyaufmüller, Aachen