Das ICH und sein Doppelgänger – zur Psychologie des Schattens

 

Autor:

Olaf Koob

Erscheinungsjahr

2005²

Verlag:

Verlag Johannes M. Mayer

ISBN:

3-932386-86-8

Seitenzahl:

331 S.

 

Das Thema ist spannend: Etwas anders, als der Titel vorgibt, behandelt das Buch Schattengebilde und spirituelle Doppelgänger des Menschen auf verschiedenen Ebenen, die in der anthroposophischen Literatur auch als Phantome, Gespenster und Dämonen klassifiziert werden. Im ersten Teil des Buches wird dies auch gut dargestellt und mit vielen Beispielen belegt. Der tiefenpsychologische Ansatz von C. G. Jung kommt immer wieder zum Tragen und man liest diese Seiten mit Gewinn, auch wenn ich mir aus der Sicht eines zeitgenössischen psychologisch Geschulten eine detailliertere Analyse der diversen Doppelgänger erhofft habe. Bis hierher liest sich das Buch auch gut, die Angaben stimmen, die Fußnoten sind nachvollziehbar.

Spätestens in der Buchmitte stößt man auf Kapitel, die sich vom Bisherigen abheben. Ohne dies bis ins Letzte hinein zu analysieren, muten die Abschnitte „Der Schatten der Liebe“ (25 S.), „Das Problem des Männlich-Weiblichen“ (20 S.) und „Der Schatten der Völker“ (27 S. Text) wie Nachschriften mündlich gehaltener Vorträge an. Entsprechend nachlässig wird die Zitation, allgemeiner, öfters ohne Quellennennung. Auf S. 169 wird ausgiebig eine Studie der ‚Gesellschaft für rationelle Psychologie’ verarbeitet ohne weitere Angabe, weiter unten eine Studie von Klaus Hurrelmann, den man weder in den Anmerkungen noch im Literaturverzeichnis findet. Besonders auffällig wird dies auf S. 201 mit einem Steiner-Zitat in Anführungszeichen ohne Quellverweis. Oder auf S. 197f., wo aus Steiners Arbeiter-Vorträgen referiert wird ohne Quellenangabe. Hier wird ein besonders wunder Punkt berührt. Im gesamten Werk wird kräftig auf Steiner verwiesen, oft findet man in den Anmerkungen mit Fußnotennummer die Literaturstelle benannt, aber im Gegensatz zu fast allen übrigen Autoren fehlen sämtliche Belege zu Rudolf Steiner im Literaturverzeichnis, der Name taucht nicht einmal dort auf. Als würde ihn Olaf Koob geistig ausblenden. Im Register hat Steiner die meisten Nennungen, im Literaturverzeichnis keine einzige Angabe. Das ist mit einem partiellen Blackout nicht mehr zu entschuldigen, das ist Methode. Ich fälle dieses Urteil auch deshalb so entschieden, weil es sich hier um eine 2. Auflage handelt, in der normalerweise Fehler, die aufgefallen sind, berichtigt werden. Parallel zum Autor hat sich aber auch der Verleger blamiert. Bücher sollten lektoriert werden. Würde so etwas in der Automobilindustrie passieren, wäre eine Rückrufaktion für die gesamte Modellserie fällig. Dem Leser kann nur eines empfohlen werden: Trauen Sie keinem Autor, der vorgibt, wissenschaftlich zu arbeiten und auf diesem Sektor einfach unredlich ist. Olaf Koob segelt unter anthroposophischer Flagge und hält sich nicht an die einfachste Regel: Redlichkeit.

Im letzten Kapitel „Seelenarbeit“ tritt uns ein völlig anderer Olaf Koob entgegen, jemand der plötzlich authentisch schreibt, die Ich-Form benutzt: „Ich werde nur Selbsterlebtes und an anderen Beobachtetes darstellen oder Erkenntnisse referieren, die mir einleuchtend und nachvollziehbar erscheinen. Allgemeine moralische Appelle werde ich vermeiden. Dabei möge als Grundsatz gelten, wer zur Wahrheit gelangen will, seine Meinung nicht schonen darf, ...“ (S. 280). Dieses Kapitel für sich ist gut, aber jetzt stellt sich natürlich die spannende Frage: Wer hat vorher geschrieben, oder genauer, welcher Doppelgänger?

 

Wolfgang Creyaufmüller, Aachen