Das Labyrinth von Chartres

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1. Labyrinth

Labyrinthe sind keine Irrgärten. Sie haben nur einen einzigen, verschlungenen Weg. Dieser führt vom Startpunkt zum Ziel auf möglichst großer Strecke.

Labyrinthe sind seit alter Zeit als Einweihungswege benutzt worden. Dies hat sich bis in die Gegenwart fortgesetzt. Auch in christlichen Kirchen wurden Labyrinthe eingebaut. Untersucht man die Geometrie der Bauwerke näher, kann man sogar zu der Schlussfolgerung kommen, dass manche Kathedrale nach geomantischen Gesichtspunkten erbaut wurde und die Labyrinthe besondere Orte markieren. Chartres mit seiner Marien-Kirche (Notres-Dames de Chartres) wird nachfolgend betrachtet.

Kathedrale mit Fensterrosette und Labyrinth

Bild 1

Grundriss der Kathedrale

Bild 2

Lage von Fensterrosette und Layrinth

Bild3

links oben und unten (Bild 1 und 3): 
 Die Korrespondenz von Labyrinth und Westfensterrosette. 

links unten (Bild 3): 
 Die Mandorla im mittleren Fenster unter der Rosette zeigt den Ort der Maria, deren Bild am 15. August in die Mitte des Labyrinths projiziert. Die Kathedrale ist der Maria gewidmet.

rechts oben (Bild 2): 
 Plan der Kathedrale mit der Lage des Labyrinths und eines zweiten geomantisch bedeutenden Punktes in Chor.

aus: Candolini, Gernot, Das geheimnisvolle Labyrinth, Augsburg 1999, S. 84f. (Bild 2 und 3) und Notre-Dame de Chartres - l'enigme du labyrinthe, Rectorat de la Cathédrale, o.J., S. 13 (Bild 1).

 

Der Abstand des Labyrinths von der Eingangswand ist identisch mit der Höhe der Fensterrosette in der Eingangswand. Dies war sicherlich Absicht der Baumeister und kein Zufall.

 

Das Labyrinth von Chartres ist somit  wohl insgesamt unter dem Blickwinkel "Nichts ist Zufall" zu betrachten. Interessant wird nun, dass offenbar auch Zahlengeheimnisse nach pythagoreischem Vorbild eingebaut wurden.

Labyrinth

Bild 4: Foto des Labyrinths durch den hohlen Schlussstein des Gewölbes darüber (in der Kathedrale käufliche Postkarte).

 

In diversen Schriften wird die Anzahl der Steinplatten, die den Weg des Labyrinths bilden, mit 273 angegeben. Dies beruft sich auf die offizielle Darstellung der örtlichen Bauhütte. Einige Platten sind allerdings gebrochen. Darunter befinden sich auch solche, bei denen der Bruch sichtlich schon zur Bauzeit erfolgte und die mit Bruchfuge als zwei Platten gezählt werden müssten. Diese Zählweise wandte ich an, wenn die Bruchfuge einige Millimeter breit und sichtbar mit Speis oder Zement verfüllt war. Als einzige Platte zählte ich, wenn eine Bruchlinie zwar als Haarriss sichtbar, aber nicht verfugt war, denn ein derartiger Bruch kann auch nach dem ursprünglichen Verlegen der Bodenplatten erfolgen. Damit erhöht sich die Anzahl der Wegstationen = Platten auf 276. Wer heute das Labyrinth durchschreitet (was freitags möglich ist), wird diese Zahl ermitteln können. Damit wird die Frage aktuell, was die Baumeister mit dieser Zahl verschlüsselt aussagen wollten. Zudem ist jeder, der nicht auf die wenigen Risse acht gibt, stets im Zweifel über die genaue Zahl. Wem die Zahl 276 nicht in anderen Zusammenhängen begegnet ist, wird also vermutlich nichts bemerken.

Was verbirgt sich also hinter 276 nach pythagoreischem und erweitertem Denkmuster?

Die folgenden Gedanken befinden sich bestimmt noch in einem keimhaften Sta­dium, seien aber trotzdem kurz skizziert. Weil sie sich auf ein mathematisches Verfahren beziehen, muss dies wenigstens kurz erläutert werden.  Ausführlich ist es in meinem Buch „Primzahlfamilien“ dargestellt:

Pythagoras wurde einmal gefragt, was denn wahre Freundschaft sei und soll geantwortet haben, dass wahre Freundschaft zwischen zwei Menschen sich wie die Zahlen 220 und 284 verhalte. Die bleibt unverständlich, wenn man nur auf die Zahlen selbst blickt. Zerlegt man sie jedoch in ihre Teiler, so findet man bei 220 die echten Teiler 1, 2, 4, 5, 10, 11, 20, 22, 44, 55 und 110. Zählt man sie zusammen, ergibt sich als sogenannter Zahleninhalt die Summe 284. Bei 284 mit den Teilern 1, 2, 4, 71 und 142 ergibt sich als Zahleninhalt 220. Seit der Antike werden die Zahlen 220 und 284 als befreundete Zahlen bezeichnet. 

Bildet man von einer Zahl nach diesem Verfahren den Zahleninhalt und wiederholt dies mit der erhaltenen und verfährt dann immer so weiter, erhält man eine sogenannte Zahleninhaltskette. Ein Beispiel hierzu: 20 hat den Inhalt 22, 22 den Inhalt 14, 14 führt zu 10, 10 zu 8 und 8 zu 7. 7 ist eine Primzahl und hat den Inhalt 1. Damit endet die Kette. Die meisten Zahlen sind in sogenannte Primzahlfamilien, also Inhaltsketten mit Seitenzweigen, eingebunden. Sie stecken grundsätzlich in einer Inhaltskette, die zu einem Ende führt.

In der Regel ist die Primzahl an Ende klein gegenüber der zu betrachtenden Zahl und normalerweise sind Inhaltsketten rückläufig, bevor sie in einer Primzahl enden. Es ist mir bisher nur ein Beispiel einer stets wachsenden Inhaltskette bekannt, das in einer relativ großen Primzahl (6stellig) endet.

Es gibt allerdings auch Inhaltsketten, die wachsen, ohne dass ein Ende bekannt ist. Man nennt sie Offenendketten, kurz OE-Ketten. Die kleinste Zahl, mit der eine derartige Kette beginnt, ist 276.

Betrachtet man die Faktoren, die für das Wachstum oder Schwinden einer Kette iterativer Inhalte verantwortlich sind, die sogenannten Treiber, dann fällt auf, dass 2 bzw. 2er-Potenzen generell Tieftreiber sind, also eine Kette nach unten führen, eventuell einer Prim­zahl oder einem sonstigen Ende zu.

Nun müssen wir einen Blick auf ein wenig mathematisch anmutendes Thema werfen: Bei der Überschau über die Erdentwicklung im Zusammenhang mit den menschlichen Inkarnationen machte Rudolf Steiner (GA 102, S.174ff.) darauf aufmerksam, dass eine Gefahr für die Zukunft einer Entität besteht, wenn sie sich zu tief mit ihrer jeweiligen Inkar­nation verbindet/verwächst. Geschieht dies 16 mal hintereinander - und eine materialistische Welt­sicht bietet hierfür beste Vorbedingung - fällt ein Mensch aus dem aufwärts strebenden Strom der Menschheit heraus und muss künftig eine andere Entwickelung unter Sonderbedingungen antreten. Die Anthroposophie kennt dies unter dem Begriff der „16 Wege des Verderbens“, weil der Mensch danach aus der Kette der Inkarnationen ausgegliedert wird.


Eine nach unten gehende, endende Inhaltskette hat auch keine Entfaltungsmöglichkeit mehr; sie zieht sich auf ein Ziel zusammen und endet - zumindest bleibt im Bereich der natürlichen Zahlen die Ent­wicklung der Kette stehen. Denkt man dies weiter, müssten sich beim Wechsel des Zahlenbereiches auch alle Fragen zur Teilbarkeit, überhaupt der gesamte Ansatz, einer Metamorphose unterziehen.


Einen anderen Eindruck vom Zahlenwesen erhält man bei Buddha. Der Buddha lehrte den achtfachen Pfad (auch „achtgliedriger Pfad“ genannt) um den Menschen von den Folgen seines Karmas zu erlösen. Die Befolgung dieses Erkenntnis- oder Schulungsweges führt zur Entwickelung des Kehlkopforgans, das auch in der indischen Literatur als „16blättrige Lotusblume“ bezeichnet wird (Steiner, GA 114, 8. Vortrag, 24-9-1909).

Der „Achtfache Pfad (23)“ steht direkt den „sechzehn Wegen des Verderbens (24)“ gegenüber in Wirkung und Absicht; ein Tieftreiber negativer Wirkungen hat letztlich doch positive Folgen.

Nach bisheriger Übersicht ist dies erst ein unscharfes Bild, das wohl noch reifen muss, der Zusam­menhang mit der Zahl des Zweifels, der Polarität, gibt aber dennoch zu denken.


Bei den Inhaltsketten, die sich durch immer größer werdende Zahlen zunehmend der Berechnung entziehen, sind die Treiber, die kleinen Faktoren, die zu wachsenden Inhalten führen, häufig vollkommene Zahlen wie 6 und 28. Dies gilt insbesondere für die Sequenzen, die mit Zahlen unter 1000 beginnen. Es sind derzeit noch 5 (Lehmer Five). Ihre Startzahlen sind 276, 552, 564, 660, 966. Von gelegentlichen Schwankungen abgesehen wachsen ihre Inhalte stark an und die Ketten sind z.Zt. jeweils bis über 110 Dezimalstellen hinaus berechnet. Das Bild der nach oben stre­benden, sich bei zunehmender Differenzierung erweiternder Sequenzen für die sich entwic­kelnden, entfaltenden Menschen, im Zusammenhang mit den vollkommenen Zahlen als Treibern, und das in einer so viel größeren Menge abnehmender, oder nur teilweise wachsender Ketten re­spektive Men­schen lässt nachdenklich werden ...

 

Bisher fiel mir die erste dieser offenen Ketten mit der Startzahl 276 besonders ins Auge.  An anderer Stelle führte ich den Zusammenhang zwischen einigen Primzahlfamilien und den 22 Arkana des Tarot näher aus. 22 Buchstaben, die auch als Zahlzeichen verwendet wurden, hatte das hebräische Alphabet. Steiner gab zwei relativ kleine Hinweise darauf, dass mit den 22 Bildern die Weltgeheimnisse entschlüsselt werden könnten, wenn es gelänge, sie richtig in der richtigen Reihenfolge zu lesen. 22 Bilder (oder Gleichnisse ? ) sind die Signatur der vorchristlichen Zeit. Interessant wird nun die nächste Zahl, die über 22 hinausgeht, also 23 – und hiermit kommt 276 ins Spiel!

 

Auf überraschende und für mich ganz neuartige Verbindungen zwischen der ersten OE-Kette (276) und der Zahl 22 bzw. 23 brachte mich eine schon ältere Publikation: Ron Jarman (1982, S. 22ff.) ent­hüllt in seinem kurzen Artikel einen anderen mathematisch-inhaltlichen Aspekt, der bisher in meinen Betrachtungen nicht angesprochen wurde. Er verweist auf die so genannten Dreieckszahlen, deren Eigenschaften schon in der Antike bekannt war und die öfters benutzt wurden, um geistige Weishei­ten zu verschlüsseln. Jarman führt zwei Beispiele an, die beide im Neuen Testament stehen. Im Jo­hannes-Evangelium (Kap. 21) wird geschildert, wie die Jünger beim Fischen sind und ihnen der auf­erstandene Jesus das dritte mal erschienen ist. Sie ziehen ihren Fang ein und es wird von 153 Fischen im Netz, das nicht zerreißt, gesprochen. 153 ist die Dreieckszahl von 17, d.h. die Summe der natürlichen Zahlen von 1 bis 17. Von Pythagoras ist der beispielgebende Ausspruch überliefert: „Was du für 4 hältst ist in Wirklichkeit (d.h. als Macht) die Zahl 10“  -  1 + 2 + 3 + 4 = 10. Thomas von Aquin deutete die 153 in 2 Stufen so aus: „153 ist als schöpferisches Ergebnis der Kraft der 17 ... (wobei) 17 in Wirklichkeit 10 + 7 ist, die Vereinigung des Irdischen (10 - wir haben 10 Finger, 10 Zehen und ha­ben so ein dezimales Zählsystem) und des Himmlischen (7 - die Planetenwelten). Die Tat des Christus war, das Himmlische ganz in das Irdische zu bringen. So ist diese Macht im Fang der 153 Fische ausgedrückt“ (Jarman, S. 24).


Dieses ausführliche Zitat ist deshalb vorausgeschickt worden, damit das Verständnis für das zweite Beispiel von Jarman, das sich mit der Zahl 276 beschäftigt, erleichtert wird. Diese Zahl haben wir weiter oben in anderem Zusammenhang betrachtet. In der Apostelgeschichte, genauer im 27. Kapitel, wird von der Seefahrt nach Rom berichtet und deren Unterbrechung durch einen Schiffbruch. Nach langer, steuerloser Fahrt im Sturm hatte Paulus eine Engelserscheinung mit der Verheißung, dass alle Menschen auf dem Schiff (bzw. die darauf bleiben) gerettet werden. Die Zahl derer ist 276. Ron Jarman (S. 25) schreibt hierzu: „276 ist die Dreieckszahl der Primzahl 23. Was ist Besonderes an 23? Die alte Kabbala (wörtliche Bedeutung: die Macht der Zwei und Zwanzig) hatte 22 Buchstaben, nämlich 12 (Tierkreis) + 7 (Planeten) + 3 (die Mütter). Aber zu diesen drei Gruppen brachte der Christus die Vierte - das Ich, das einzig ist. Also: 23 = 12 + 7 + 3 + 1. Diese neue Macht, die des Christus, ist vereinigt mit der großen Weisheit der Vergangenheit, sie dabei transformierend. Sie enthüllt sich im Bild der Rettung aller 276 Seelen.“  


Jarman
untersucht nun weiterhin die mathematische Eigenschaft der 23 und stellt fest, dass diese Zahl die kleinste ist, deren Primzahlring (Z23) eine Schwelle überschreitet: Ein minimales Erzeugendensystem ist häufig eine kleine Primzahl. Z23 ist nun der erste Ring, der nicht von den so genannten Primitivwurzeln 2 oder 3 erzeugt werden kann, sondern erst von der 5. Dies führt Kowol (S. 80) ex­plizit aus. Jarman sieht somit die 5 und die 23 in einem engen Zusammenhang und mit der 23 als Dreieckszahl verbunden die 276 - die erste Schlüsselzahl einer OE-Kette, wie von mir weiter oben dargelegt wurde.


Kowol
(1995, S. 108) führt zur Zahl 23 noch weitere interessante Aspekte auf; 23 ist die erste Primzahl, die keinen Primzahlzwilling hat; 23 ist die Anzahl der menschlichen Chromosomenpaare. Davon sind 22 so genannte Autosome und 1 Paar das Geschlechtschromosom. Auch hier kann man einen zarten Rückverweis auf den Zusammenhang des Tarot mit dem Allgemeinmenschlichen erblicken.

Ein Blick in die Primzahltabelle zeigt, dass 23 die erste Primzahl ist, deren Zwillingspartner sozusagen einer anderen Gesetzmäßigkeit unterliegt. 25 ist als Quadrat von 5 eben keine Primzahl. Ab 25 be­ginnen sich die bis dahin regelmäßigen vorkommenden Zwillinge aufzulösen. Das unregelmäßige Er­scheinungsbild der Primzahlfolge tritt jenseits von 23 in Erscheinung. 25 ist unter einem anderen Blickwinkel die „Ersatzzahl“ von 5 zur Familienbildung (vgl. Kap. 11/5). Weiterhin mündet 25 direkt und als einzige Zahl in die kleinste vollkommene Zahl 6. Diese Gedanken vertiefen den inneren Be­zug zwischen 23 und 5 einerseits und über 25 nach 6 sowie in der anderen Richtung zur Dreieckszahl von 23, zu 276. So kann man über die Zahlen des Menschen - 5 und 22/23 - eine Verbindung zur er­sten vollkommenen Zahl 6 und zur ersten Offenendzahl 276 erblicken.

Lässt sich die Behauptung wagen, dass mit 276 Wegplatten bis zum Zentrum des Labyrinths der neue, nachchristliche Weg des Menschen zu seinem waren Kern verbildlicht wird? Wie bei Pythagoras ist dieser Schlüssel nur dem mathematisch vorgebildeten zugänglich – ganz im Sinne von L. Locher-Ernst: “Mathematik als Vorstufe zur Geisterkenntnis“ (so der Buchtitel).

Die Gedanken in diesem Kapitel sind weitgehend originär und stützen sich nicht auf ältere traditionelle Werke zur Zahlensymbolik. Nach dem oben Angedeuteten neige ich zur Ansicht, dass die alten Wege nicht weiterführen, neue aber ähnlich wie bei chaotischen Prozessen üblich, nicht sofort gefunden werden. Erst allmählich beginnen sich Muster abzuzeichnen. Dies ist mit ein Grund, wieso ein Urteil tunlichst lange zurückzuhalten ist, bis sich viele Aspekte zu einem neuen Bild zusammenfügen können. Dass dies möglich ist und vielleicht schon stattfindet, ist meine tiefe innere Überzeugung.

Deutlich wurde vielleicht auch, dass die alten Wege der Zahlenbetrachtung für die alten Schriften ihre Berechtigung hatten, spätestens ab der christlichen Zeit (oder anders gesagt, dem Neuen Testament) müssen auch hier neue Wege entdeckt und begangen werden.


Was der Leser mit derartigen Gedankengängen anfangen will, möge ihm selbst überlassen blei­ben. Vielleicht stimmt er aber mit mir darin überein, dass Gedanken, die Pythagoras anregte und die ein­gangs unter gegenwärtiger Geistesentwicklung nach- bzw. weitergedacht wurden, beim Blick auf die Zahlenfamilien neue Perspektiven eröffnen.

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2. Eingeschriebene Figuren

Der Bauplan der Kathedrale insgesamt weist noch viele Maßzusammenhänge auf, die sicher nicht erschöpfend angesprochen werden können. Die folgenden Ausführungen resultieren aus Anregungen von Fosar/Bludorf (1996). Die Autoren machen darauf aufmerksam, dass die  Gesamtstruktur der Kathedrale eine Form verbirgt, die drei mathematische Aspekte verbindet: Irrationalität, Transzendenz und Goldener Schnitt.

In den Bauplan des Schiffes mit Chor lassen sich drei Figuren einbeschreiben, die bestimmt nicht zufällig in diesen Größenangaben gewählt wurden: Ein Kreis, ein Quadrat und ein Rechteck.

Grundriss Chartres mit Geometriefiguren
Bild 5: Grundriss der Kathedrale, aus: Fosar/Bludorf, (1996, Abb. 4)

 

Geht man vom Rechteck im Chor aus, so hat dies ein Seitenverhältnis von 1 :2. Nimmt man diese Einheit als Basis, ergibt sich die Flächenmaßzahl 2. Quadrat und Kreis sind jeweils flächengleich zum Rechteck.
Für das Quadrat bedeutet dies, dass es eine irrationale Seitenlänge hat. Bei dem Flächeninhalt 2 ergibt sich für die Quadratseite die Wurzel aus zwei.
Für den Kreis bedeutet dies die Aufgabe, ihn flächengleich zum Quadrat umzuformen - also das antike Problem der Quadratur des Kreises in Umkehrung. Bekanntlicherweise führt dies auf die Entdeckung der Zahl Pi, die erst gegen Ende des 19. Jhs. als transzendent erkannt wurde.

Einige Zahlenzusammenhänge, deren tiefere Interpretation dem Leser überlassen bleiben sollen, weil sie die hier gewählte Thematik sprengen:
Das Quadrat hat eine Seitenlänge von 23.19m, nach Fosar/Bludorf  (S. 58) ist dies ein Zehntel der Grundseite der Cheopspyramide.
Der Kreis hat somit einem Durchmesser von 26.17m. Er ist etwas mehr als doppelt so groß wie das Labyrinth, das er vollständig umschließt, allerdings leicht exzentrisch.

Fosar/Bludorf bringen die drei flächengleichen Figuren mit den Gralstafeln in Verbindung, die (oder die Kenntnis von ihnen) direkt den Bau der Kathedrale angeregt haben sollen, nachdem sie von Tempelrittern aus Jerusalem nach Frankreich gebracht worden waren.
Diese Figuren dienen bei manchen Menschen heute noch als Vexierbilder, die mit parallel gerichteten Augen betrachtet werden müssen:

Vexierbild der Figuren von Chartres
Bild 6: "Gralstafeln", aus: Fosar/Bludorf, (1996, Abb. 5)

Wichtig beim Betrachten ist die Einhaltung der Abmessungen. Die beiden Reihen sollten etwa auf Augenabstandsweite auseinander sein. 
Zur Hilfe ist ein cm-Maßstab ins Bild eingescannt. Sind die Augen richtig gerichtet, schieben sich beide Bilder übereinander und es entstehen erstens Mischfarben und zweitens räumliche Tiefe. Bei geeigneter Größe des Bildes lässt sich dieser Effekt auch am Bildschirm erreichen. 
Ein dritter Effekt, der sich einstellt, ist ein innerer Zustand der Ruhe und Harmonie, der durch Synchronisation der  Hirnströme erreicht werden soll. 
Bei genauer Betrachtung kann man einen kleinen zusätzliche Effekt bemerken: Das Quadrat erscheint  nicht flächig in den Ebene, sondern ist leicht gekippt. Die obere Spitze kommt dem Betrachter entgegen, die untere beim Kreis entschwindet nach hinten. Manchmal wird dieses seltsam räumlich Quadrat auch zum Oktaeder, zur Doppelpyramide (einem der fünf Platonischen Körper). Je nach Augenstellung kann man vielleicht auch noch mehr entdecken.
Nach den Aussagen von aus: Fosar/Bludorf  dienen diese Figuren als Mittel zur Bewusstseinserweiterung: Die Sehübung ist ein Mittel, das Bewusstsein zu transzendieren. Weitergehende Aussagen weisen weit über den Bau in Chartres hinaus und sprengen auch inhaltlich das Thema meiner Erörterung.

Im Originalton lassen sich die Erörterungen von Fosar/Bludorf auf deren Website nachlesen: Fosar/Bludorf - Chartres

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3. Literatur:

Creyaufmüller, Wolfgang
            Primzahlfamilien, Stuttgart 2000, 3. Aufl., 327 S.

Creyaufmüller, Wolfgang
            TAROT, das Zentrum der Weihnachtsbaumsymbole
            Dornach 2000, 47 S.

Fosar, Grazyna / Bludorf, Franz
            Das Erbe von Avalon
            München, 1996, 264 S.

Jarman, Ron
            Der Primzahlbereich - Echo dessen, was individuell in der Welt
            in: Mathematisch-Physikalische Korrespondenz, Nr. 126, Weihnachten 1982,
            Dornach, S. 22-28.

Kowol, Gerhard
            Primzahlen - Ein mathematischer Zugang zu ihren Qualitäten
            in: Mathematisch-Astronomische Blätter, Neue Folge, Bd. 18, Dornach 1995, 167 S.

Steiner, Rudolf
            Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilungen der 
            Esoterischen Schule 1904-1914
            Gesamtausgabe Nr. 265
            Dornach, 1987, 526 S.

4. Spiel:

Das Labyrinth als Geschicklichkeitsspiel ist einer Betrachtung wert:  http://www.entia.de/Spiel-und-Freude/Fuer-Junge-und-immer-noch-Junge/Das-Labyrinth-von-Chartres.html

 

(Wolfgang Creyaufmüller, November 2002 / Oktober 2004 / Juni 2005)

Stand (last update): 22-01-2012

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